Die griechischen und lateinischen Kirchenväter sind uns vor allem als theologische Autoritäten der Rechtgläubigkeit bekannt. Auch in den Sozialenzykliken wird auf sie wiederholt verwiesen. Sie gelten in der kirchlichen Tradition als jene antiken Schriftsteller, „die, jeweils zu ihrer Zeit und an ihren Orten in der Einheit der Gemeinschaft und des Glaubens verharrend, bewährte Lehrer waren“.[1] Wie sich aber das von den Kirchenvätern repräsentierte Christentum den Herausforderungen der Spätantike stellt, ist dem kirchlichen Bewußtsein weitgehend verloren gegangen. Die Kirchenväter sind mit einer zunehmenden Verelendung der Massen konfrontiert und suchen die Verantwortung der Menschen für einander und für Gottes Schöpfung zu begründen, indem sie an die biblisch erzählte Zuwendung Gottes zu den Menschen erinnern. Die biblischen Verheißungen, daß Befreiung möglich ist, bestimmen ihren Glauben. Das Befreiungswerk Christi setzen sie in der praktischen Liebe zu den Armen und in der theologisch legitimierten, gerechten Verteilung des Reichtums fort. Die Erde ist Gottes gute Schöpfung für alle Menschen - davon sind die Kirchenväter überzeugt. Diese Spuren wiederaufzunehmen, bleibt für uns eine Quelle der Inspiration.[2]
Zwar sind die Fragen von Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, die durch die Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“[3] verschärft in die Debatte geworfen werden, nur zum Teil auch die Fragen der Kirchenväter. Die Zerstörung der Natur als Folge wirtschaftlichen Handelns und die Frage der strukturellen Ungerechtigkeit als Folge des Wirtschaftssystems steht bei ihnen nicht zur Debatte. Denn den Kirchenvätern steht einerseits das Instrumentarium zur gesellschaftswissenschaftlichen Analyse nicht zu Verfügung, andererseits ist ihnen unbekannt, daß die Menschen nicht nur durch Abstammung, sondern ebenso durch die gesellschaftliche Arbeitsteilung, die dem Leben des einzelnen Menschen vorausgeht und es bedingt, körperlich miteinander verbunden sind.
Dennoch lassen sich gemeinsame Probleme plausibel machen: Haben wir uns heute der Verelendung der Dritten Welt und der Zerstörung der Schöpfung zu stellen, so war für die Kirchenväter die zunehmende Verelendung der Massen eine radikale Herausforderung. Diese Parallele darf allerdings nicht vergessen machen, daß ihr gesellschaftliches und theologisches Weltbild anderen technologischen und kulturellen Bedingungen unterliegt als das unsere. Und trotzdem kann die Weise, wie die Kirchenväter die Sendung der Kirche verstehen und Weltverantwortung wahrnehmen, im Kontrast zu unserer Lage eine kritische Funktion gewinnen und durch die thematische Nähe als Inspiration dienen.
Das Bild des Lebens im spätantiken Zwangsstaat ist vieldeutig und in hohem Maße von Krise, Veränderungsprozessen und Aufbruch gekennzeichnet.
Wir wissen darum, daß in der Spätantike der landwirtschaftliche Ertrag des Bodens immer mehr abnimmt. Das führt zu regionalen Hungersnöten und zunehmender sozialer Ungerechtigkeit im Verhältnis zwischen Armen und Reichen. In dieser Entwicklung geraten vor allem Kleinbauern durch die Übersteuerung ihres Besitzes in den ökonomischen Ruin. Dagegen steht die weitere Vergößerung von Großgrundbesitz, ohne daß dieser effektiv genutzt wird. Die vielen Kleinbauern werden immer abhängiger von den wenigen Großgrundbesitzern. Dadurch wachsen in weiten Teilen des Imperiums die gesellschaftlichen Unterschiede und die sozialen Spannungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Die arbeitende Landbevölkerung ohne eigenen Besitz verarmt und ist zum Teil von Hungersnöten bedroht, während Handelsleute und Oberklasse zunehmend reicher werden. Die Unterschiede zwischen Stadt- und Landbevölkerung vergrößern sich, ebenso wie die zwischen Staatsbeamten und Untertanen. Sogar der Verkauf von Kindern wird in dieser Zeit übliche Praxis.
Man vermutet, daß ökologische und ökonomische Probleme sich in verheerender Weise wechselseitig verstärken. Die Steuererhebung des Imperiums verschärft sich, und die Verteilung des Bodeneigentums weist immer größere Ungerechtigkeiten auf. Die Aristokratie ist nur an geldorientierter Großgrundwirtschaft interessiert und verhindert damit eine ökologisch-ökonomisch tragfähige Nutzung des Bodens durch die Kleinbauern.
Daß Menschen Klimakatastrophen verursachen können, gelangt erst am Ende des 20. Jahrhunderts in das politische Bewußtsein und ist den Kirchenvätern zweifelsohne nicht bekannt. Aber sie klagen darüber, daß Naturkatastrophen (Dürre, Hagel etc.) ihre Ursache in der sozialen Ungerechtigkeit bei der Verteilung der Lebensmittel haben, also Folge der Sünde seien. Basilius von Cäsarea klagt zum Beispiel: „So seht, wie die Menge unserer Sünden selbst die Jahreszeiten um ihren natürlichen Charakter gebracht und die jeweiligen normalen Temperatur- und Witterungsverhältnisse ganz verschoben und verändert hat.“[4] Er wie andere Kirchenväter weisen auf die Naturkatastrophe hin, um die Sünden der Wirtschaft anzuprangern, durch die die Reichen die Armen ins Elend stürzen und ausbeuten. Der Zusammenhang zwischen Naturkatastrophe und Ungerechtigkeit ist für die Kirchenväter kein Problem, weil sie von der Gemeinschaft alles Erschaffenen ausgehen.
In diesem Zusammenhang ist das „Sozialwerk“ des Basilius von Cäsarea zu verstehen, der einen neuen Weg dadurch einschlägt, daß er zu einer asketischen Haltung in dieser Art von Welt rät. Vor den Toren Cäsareas schafft er die sogenannte „Basileias“, eine Art Vorstadt mit Gebäuden zur Unterbringung und medizinischen Versorgung von Kranken, Alten und Fremden und mit einigen sakralen Bauten. Es gelingt ihm, der wachsenden Ungerechtigkeit ein symbolisch tragfähiges Modell entgegenzustellen, indem er die Geldabgaben der Gläubigen nicht in Landbesitz anlegt, der besteuert worden wäre, sondern für die Unterstützung der Armen verwendet.
An seinem Werk läßt sich klar erkennen, wie die wirtschaftliche Konzeption der Kirchenväter sich nicht den Bedingungen der spätantiken ökonomischen Realität unterwirft, also etwa in Handelskapital und Boden investiert, sondern vielmehr darauf baut, die Armen am Reichtum teilhaben zu lassen.
Diese gesellschaftliche Konzeption stützen die Kirchenväter theoretisch durch eine theologische Kritik des Überflußreichtums und durch die Ermahnung zur Praxis der Armenliebe. Schöpfungstheologische, eschatologische, christologische und pneumatologische Argumente verbinden sie miteinander.
Es geht den Kirchenvätern gar nicht um eine akademische Verurteilung des Reichtums an sich. Die Schöpfung ist mit unendlichem Reichtum ausgestattet; ihr Reichtum gehört allen. Die Kirchenväter richten ihre Kritik gegen die ungerechte Verteilung des Reichtums der Schöpfung. Alle sollen Zugang zu den Gütern der Erde erhalten. Die Armen haben ein Recht auf die notwendigen irdischen Güter, und es gibt eine Pflicht, sie ihnen zu gewähren.
Die spirituelle Kommunikation mit Gott geschieht in der Sicherung des körperlichen Lebens, die in der Erfüllung dieser Rechte ihren Ausdruck findet. Spirituelle Kommunikation - „im Geiste sein“ - bedeutet, in gleichrangiger Gemeinschaft mit den anderen stehen. Denn die materielle Armut der einen ist ein spürbarer Indikator für die Überheblichkeit der anderen. Die Existenz der Armen beweist, daß die Reichen nicht im Geiste leben. Damit die Reichen im Geiste leben, müssen sie ihr Leben durch die Gütergemeinschaft mit den Armen gestalten. Die Gemeinschaft der Christen ist nicht ausschließlich Gütergemeinschaft, aber diese gehört unersetzlich dazu. Der Begriff Koinonia bezeichnet sowohl die Gemeinschaft zwischen den Menschen wie die zwischen Menschen und Gott. Diese außerordentliche Bedeutung der Gütergemeinschaft ist notwendig, um die falsche Spiritualisierung der Gemeinschaft zu verhindern. Darauf macht bereits Ignatius von Antiochien die Christen von Smyrna aufmerksam:
Habt acht auf die, welche die uns zugekommene Gnade Jesu Christi abweichend lehren, wie sie entgegengesetzt sind dem Sinne Gottes. Nach der Liebe fragen sie nicht, noch nach der Witwe noch nach der Waise, noch nach den Bedrängten, noch nach dem Gebundenen oder Freigelassenen, noch nach dem Hungernden oder Dürstenden.[5]
Das Teilen der irdischen Güter gibt die Gemeinschaft im Geiste zu erkennen. Gütergemeinschaft ist ihre reale Grundlage, ihre Existenzmöglichkeit. Besitz bedeutet immer nur Verwaltung der irdischen Güter. Das Ziel der Verwaltung ist es, allen den Zugang zu den irdischen Gütern zu sichern.
Überflußreichtum und Nächstenliebe sind nicht miteinander zu vereinbaren. Wenn wahr ist, daß das ganze Gesetz im Gebot der Nächstenliebe zusammengefaßt ist (Gal 5,14), dann hatte der reiche Jüngling das Gesetz nicht befolgt, auch wenn er glaubte, das Gegenteil getan zu haben. „Denn er war sehr reich“. So argumentiert Basilius von Cäsarea.
„Machen wir also die Erde zum Himmel“, fordert Johannes Chrysostomus[6]. Der Himmel besteht darin, alles gemeinsam zu haben.
Gemeinschaft und Gütergemeinschaft sind nicht voneinander zu trennen, aber sie wird nicht durch Gewalt und Zwang herbeigeführt, sondern durch ein bekehrtes Herz. Es geht hier tatsächlich um eine Bekehrung der Herzen. Die Herzen sollen sich zum Leben bekehren, statt sich mit dem Tod abzufinden. Jede und jeder einzelne soll sich zu einem Menschsein bekehren, das von der bewußten Überzeugung geprägt ist, daß Befreiung nicht erlangt werden kann, wenn sie nicht für alle erreichbar ist. Wenn der Mensch an diese Möglichkeit nicht glaubt, verwandelt er sich in ein Wesen „wilder als selbst die wilden Tiere“[7], das zum Töten bereit ist und dadurch sein eigenes Leben auf den Tod ausrichtet.
Durch diese theologische Interpretation setzen die Kirchenväter eine heftige Eigentumsdiskussion in Gang. Darin wird über die Beziehung zwischen dem Recht aller auf Nutzung der irdischen Güter und dem Privateigentum gestritten, welches das Recht auf Nutzung der irdischen Güter monopolisiert. Diese Diskussion ist bis heute in der christlichen Tradition nicht verstummt. Papst Johannes XXIII. sagt in Mater et Magistra, „daß das Recht jedes Menschen, materielle Güter zu seinem Lebensunterhalt zu nutzen, einen Vorrang hat vor jedem anderen Recht wirtschaflichen Inhalts, also auch vor dem Recht auf Privateigentum.“[8] Papst Paul VI. schreibt in Populorum Progressio:
Das Privateigentum ist also für niemand ein unbedingtes und unumschränktes Recht. Niemand ist befugt, seinen Überfluß ausschließlich sich selbst vorzubehalten, wo andern das Notwendigste fehlt.[9]
Und in Laborem exercens formuliert Papst Johannes Paul II. das erste Prinzip der Eigentumsordnung als „die Bestimmung der Güter für alle und das gemeinsame Recht auf ihren Gebrauch.“[10]
Mit ihrer Theologie stehen die Kirchenväter in kritischer Distanz zu den Organisationsformen des Staates und zur Legitimation des römischen Imperiums. Die Kritik an der Ungerechtigkeit, die das Überleben immer größerer Teile der Bevölkerung bedroht, hat ihre Wurzeln in den symbolischen Deutungen ihrer Theologie. Die Nachfolge des sich entäußernden, armen Christus macht das Ethos verständlich, dem sich die Kirchenväter verpflichtet wissen.
Sie erfassen die Realität der Opfer von Verarmung als Offenbarungsort des dreieinigen Gottes. Ihre Zuwendung zu den Bedürftigen ist mit der Gottesfrage verbunden. Die Armen „haben die Gestalt unseres Erlösers angenommen. Denn der Menschensohn lieh ihnen seine Gestalt“ (Gregor von Nyssa).
In Zeiten zunehmender sozialer Ungerechtigkeit schaffen es die Kirchenväter, eine symbolische Sinnwelt, nicht nur im religiösen, sondern auch im ökonomischen Bereich zu konstruieren, die in Konkurrenz zur Theologie des Imperiums und der Ideologie privater Bereicherung steht. Theologische Deutung, Kritik an ungerechtfertigter Erwerbswirtschaft und alternative ökonomische Ethik und Praxis bilden für die Kirchenväter eine Einheit. Im Kontext des Massenelends erhält dieser Zusammenhang von Orthodoxie und Orthopraxie eine ungeahnte Wirkkraft. Selbst wenn die staatlich und feudal legitimierte Unterdrückung für die meisten Menschen weiterhin eine Lebensbedrohung darstellt, gelingt es den Kirchenvätern, den symbolischen Bann zu brechen. Denn im Kontext der antiken Sinnwelt, die auf die elementare Einheit von Gott, Herrschaft, Kosmos und Alltag baut, untergräbt diese Kritik die Legitimation des herrschenden Systems.
Diese Spur legen die Kirchenväter, wenn wir ihre Texte im heutigen Kontext wiederlesen.
Wir wollen dem obersten und ersten Gesetze Gottes folgen. Gott aber läßt über Gerechte und Sünder regnen und über alle in gleicher Weise seine Sonne aufgehen, er hat allen, die auf dem Lande leben, das freie Land, die Quellen, die Flüsse, die Wälder und den Vögeln die Luft, den Wassertieren das Wasser bereitet. Nicht kargend spendete er allen den ersten Lebensunterhalt, der nicht beschlagnahmt, durch kein (menschliches) Gesetz eingeschränkt, nicht abgemessen wird; er hat ihn allen gemeinsam und reichlich und ohne irgendwelchen Abzug gegeben. Er wollte durch die Gleichheit der Gabe die Gleichheit der Geschöpfe betonen.
Über die Liebe zu den Armen.
In: Reden. Schriften der Kirchenväter, Band 5.
Hrsg. v. Norbert Brox. München 1983, Nr. 25, 53/54.
Gott hat die Menschen zu brüderlicher Gemeinschaft erschaffen [koinonia], indem er [...] den Logos verlieh als Gemeingut für alle, alles gewährend für alle. Alles ist also gemeinsam, und die Reichen sollen nicht mehr haben wollen als andere. Das Wort: „Ich habe es, warum soll ich nicht genießen?“ ist also nicht menschlich, nicht brüderlich [anthrÔpinon und koinonikón]. Mehr nach christlicher Liebe klingt ein anderes: „Ich habe es, warum soll ich nicht mit anderen theilen?“ Ein solcher Mensch ist vollkommen [teleios] und erfüllt das Gebot „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“.
Der Pädagoge, lib. II, cap. 12.
In: Ausgewählte Schriften des Titus Flavius Clemens,
Kirchenlehrers von Alexandrien.
Bibliothek der Kirchenväter,
Kempten 1875, S. 368.
Wenn einer nichts Böses tut, so ist er nicht böse, auch wenn er nichts Gutes tut. Ganz recht. Heißt aber das nicht etwas Böses tun, wenn einer für sich allein über alles Herr sein, wenn er Gemeinsames allein genießen will? Oder ist nicht die Erde, und alles, was darin ist, Eigentum Gottes? Wenn also unser Besitz Gott gehört, so gehört er auch unsern Mitbrüdern im Dienste Gottes. Was Gott, dem Herrn, gehört ist lauter Gemeingut. [...] Man betrachte einmal den Haushalt Gottes! Er hat gewisse Dinge zu einem Gemeingut gemacht, damit er das Menschengeschlecht damit beschäme, z.B. Luft, Sonne, Wasser, Erde, Himmel, Licht, Sterne. Das verteilt er alles gleichmäßig wie unter Brüder. Allen schuf er dieselben Augen, denselben Körper, dieselbe Seele; es ist bei allen dasselbe Gebilde, von der Erde, von einem einzigen Manne ließ er alles stammen, allen wies er uns dasselbe Haus an. [...] Was wir notwendig haben, das liegt alles da zum gemeinsamen Gebrauch; wir aber beobachten diesen Kommunismus nicht einmal in den kleinsten Dingen. Darum hat Gott uns jene notwendigen Dinge als Gemeingut gegeben, damit wir daran lernen, auch die anderen Dinge in kommunistischer Weise zu besitzen.
Aus der zwölften Homilie über den 1. Brief an Timotheus.
In: Bibliothek der Kirchenväter, Bd. IX, Kempten 1883, S. 155.
Die Natur bringt alle Erzeugnisse zum gemeinsamen Gebrauch für alle hervor. Denn Gott hieß alle Erzeugnisse zu dem Zweck sprossen, daß jedermann sich der gemeinsamen Nahrung erfreuen und die Erde gleichsam der gemeinsame Besitz aller sein sollte. So schuf also die Natur ein gemeinsames Besitzrecht für alle; Anmaßung machte daraus ein Privatrecht. [...] So sollen wir uns denn nach Gottes Willen, oder schon kraft des natürlichen Bandes, das uns umschlingt, gegenseitig unterstützen, in Gefälligkeiten wetteifern, gleichsam alles Nutzbare zur allgemeinen Verfügung stellen, einer dem anderen, um mit dem Schriftwort zu reden (Gal 6,2), helfen, sei es durch Gefälligkeit oder Geld oder Tat oder sonstwie, auf daß der Segen des Gemeinschaftslebens unter uns sich mehre. [...] Wie kann denn einer gerecht sein, der dem Nächsten etwas zu entreißen sucht, was er für sich begehrt?
Über die Pflichten I.
In: Bibliothek der Kirchenväter, Ambrosius Bd. III,
Kempten München 1917, S. 75.
Erkenne es, wer es dir gegeben hat, daß du bist, daß du atmest, daß du denkst, daß du - was das Höchste ist - Gott erkennst, daß du das himmlische Reich, die Gleichstellung mit den Engeln, das Schauen der Herrlichkeit erhoffest, welches jetzt noch in Spiegeln und Rätseln erfolgt, dereinst aber vollkommener und reiner sein wird! Erkenne, wer es dir gegeben hat, daß du Gottes Sohn, Erbe Christi und - um ein kühnes Wort zu gebrauchen - Gott selber bist! Woher kommt dir all das, wer hat es dir gegeben? Oder - um von dem Geringeren und dem Sichtbaren zu reden - wer hat dir die Möglichkeiten gegeben, zu schauen die Schönheit des Himmels, den Wandel der Sonne, die Scheibe des Mondes, die Zahl der Sterne, die hier überall sich offenbarende, der Leier gleiche Harmonie und Ordnung, den Ablauf der Stunden, den Wechsel der Jahreszeiten, den Kreislauf der Jahre, die gleiche Verteilung von Tag und Nacht, die Erzeugnisse der Erde, das Luftmeer, die weite Fläche des bald entfesselten, bald ruhigen Meeres, die Tiefe der Flüsse, die Strömungen der Winde? Wer gab dir die einen Tiere zur Zähmung und Dienstbarmachung, die anderen zur Nahrung? Wer hat dich zum Herrn und König über die ganze Erde aufgestellt? Wer hat - um nicht auf Einzelheiten einzugehen - den Menschen den Vorrang in allem verliehen? Ist es nicht der, welcher jetzt von dir vor allem und für alles Barmherzigkeit verlangt?
Über die Liebe zu den Armen.
In: Reden. Schriften der Kirchenväter,
Band 5, hrsg. v. Norbert Brox,
München 1983, Nr. 23, S. 51/52.
Das Meer kennt seine Grenzen; die Nacht geht nicht über ihr einmal gestecktes Ziel hinaus. Der Habsüchtige aber scheut keine Zeit, kennt keine Grenzen, kümmert sich um keine Ordnung und Reihenfolge, sondern ahmt die Gewalttätigkeit des Feuers nach, ergreift alles, verzehrt alles. Wie die Flüsse, erst klein im Ursprunge, dann aber allmählich durch die Zuflüsse anwachsen, daß ihnen nichts widerstehen kann und sie alles, was in den Weg kommt, gewaltsam mit sich fortreißen, so machen es ähnlich auch die Habsüchtigen: Sind sie einmal zu großer Macht gelangt, und haben sie bereits durch die von ihnen schon Vergewaltigten die Macht zu weiterem, noch größerem Unrecht bekommen, dann machen sie alle mit den zuvor Unterdrückten zu Sklaven, und eine gesteigerte Macht gibt ihnen noch reichere Gelegenheit, Unrecht zu tun. Denn diejenigen, die zuerst ihre schlimmen Erfahrungen gemacht haben, leisten (den Gewalttätigen) die erzwungene Hilfe, wo es gilt, wieder andere zu schädigen und zu kränken. Wo ist ein Nachbar, wo ein Hausgenosse, der mit ihnen zu schaffen hat, ohne mit fortgerissen zu werden? Nichts widersteht der Gewalt des Reichtums; alles beugt sich seiner Tyrannei; alles zittert vor seiner Macht; weil jeder bereits Geschädigte mehr darauf bedacht ist, nicht noch mehr zu verlieren, als darauf, sich für das erlittene Unrecht zu rächen. Der Reiche führt ein paar Ochsen herbei, pflügt, sät, erntet, was nicht sein ist. Erhebt man Einspruch, dann gibt es Schläge; beklagt man sich, dann wird man wegen Beleidigung angeklagt, als Sklave abgeführt, in den Kerker geworfen.
II. An die Reichen.
In: Mahnreden. Schriften der Kirchenväter,
Bd. 4, hrsg. v. Norbert Brox,
München 1984, Nr. 5, S. 58/59.
Allein nicht der Kleider oder der Nahrung wegen ist der Reichtum den meisten begehrenswert; es handelt sich vielmehr um eine vom Teufel ersonnene Taktik, die die Reichen vor tausend Gelegenheiten zum Aufwande stellt, so daß sie schließlich das Überflüssige und Unnötige als etwas Notwendiges anstreben und nicht genug Ansprüche an das Leben machen können.
II. An die Reichen.
In: Mahnreden. Schriften der Kirchenväter,
Bd. 4, hrsg. v. Norbert Brox,
München 1984, Nr. 2, S. 50/51.
Es ist zum Weinen, daß es sogar unter uns Leute gibt, welche so weit davon entfernt sind, mit den Heimgesuchten Mitleid zu haben und ihnen zu helfen, daß sie ihnen vielmehr bittere Vorwürfe machen und sie belästigen. [...] Sie wagen zu erklären: „Jene haben von Gott ihr Elend, wir haben von Gott unser Glück. Wer bin ich, daß ich Gottes Fügung aufheben und besser als Gott erscheinen dürfte? Sie sollen ihre Krankheit, ihr Elend, ihr Unglück haben! Es ist so bestimmt.“ Nur dann, wenn sie es für notwendig halten, ihre Oboli zurückzuerhalten und sich über die Unglücklichen lustig zu machen, wollen sie Gottes Freunde sein. Daß sie aber (tatsächlich) nicht daran denken, ihr Glück komme von Gott, ergibt sich deutlich aus ihren Reden. Wer könnte denn in solcher Weise über die Armseligen urteilen, wenn er sich bewußt wäre, daß Gott es ist, der ihm seinen Besitz gegeben hat? Wer es weiß, daß er etwas von Gott erhalten hat, verwendet es zugleich auch im Sinne Gottes.
Über die Liebe zu den Armen.
In: Reden. Schriften der Kirchenväter,
Band 5, hrsg. v. Norbert Brox,
München 1983, Nr. 29, S. 58.
Es müssen aber jene, welche nach dem Heile streben, sofort den Gedanken fassen, daß aller Besitz nur vorhanden ist, um gebraucht zu werden, und des Bedürfnisses halber (autarkeia) jener Besitz, den sich jemand mit Wenigem erworben hat.
Der Pädagoge, lib. II, cap. 3.
In: Ausgewählte Schriften des Titus Flavius Clemens,
Kirchenlehrers von Alexandrien.
Bibliothek der Kirchenväter,
Kempten 1875, S. 336.
Die Geschichte des Naboth ist der Zeit nach alt, ereignet sich aber täglich von neuem. Denn gibt es wohl einen unter den Reichen, der nicht täglich nach fremdem Gut verlangt? Und wer, mag er auch noch so begütert ein, trachtet nicht danach, den armen Mann von seinem Gütchen zu vertreiben und den Schwachen von seinem Erbgut zu verdrängen? [...] Und nicht nur ein armer Naboth ist gemordet worden, täglich wird ein Naboth niedergeschlagen, täglich wird der Arme gemordet. In banger Sorge vor diesem Schicksal verlassen die Menschen die Heimat, der arme Mann wandert aus mit seinen Kindern, das Jüngste auf den Armen. Unter Tränen folgt die Gattin, wie wenn sie ihren Mann zu Grabe geleitete. [...] Wie weit wollt ihr Reichen eure wahnsinnige Habsucht treiben? Wollt ihr allein auf der Erde wohnen? (Jes 5,8) Warum vertreibt ihr den, der dieselbe Natur hat wie ihr und nehmt den Besitz der Natur für euch allein in Anspruch? Zum gemeinsamen Eigentum für alle, für Reiche und Arme, ist die Erde geschaffen, warum maßt ihr Reichen euch ein Eigentumsrecht an Grund und Boden an? Die Natur kennt keine Reichen, sondern läßt alle arm geboren werden. Denn nicht in Kleidern werden wir geboren und nicht im Schmucke von Gold und Silber werden wir gezeugt. Nackt kommen wir ans Tagesicht, angewiesen auf Speise, Kleidung und Trank; nackt kehren die Kinder der Erde in sie zurück; sie kennt keine Grabanlage, die die ganze Weite unserer Besitzungen einschlösse. Ein kleines Rasenstück genügt vollauf, dem Armen wie dem Reichen, und die Erde, die zu klein war für die Gier des Lebenden, hält nunmehr den Reichen ganz und gar eingeschlossen. Die Natur kennt also keinen Unterschied bei der Geburt wie beim Tode des Menschen. Alle sind gleich, wenn die Natur sie erschafft, und alle gleich, wenn sie im Schoße des Grabes sie einschließt.
Über Nabot.
In: De Nabuthe, übersetzt u. m. Erläuterungen
versehen v. D.Dr. J. Huhn,
Freiburg im Breisgau 1950, Nr. 1, S. 17.
Euer Verlangen geht also nicht so sehr dahin, daß ihr etwas seines Nutzens wegen besitzen wollt, ihr wollt vielmehr die andern vom Besitze ausschließen. Es geht euch mehr darum, die Armen auszuplündern, als euch Vorteile zu verschaffen. Ihr glaubt, es geschehe auch schon Unrecht, wenn der Arme etwas besitzt, was wert erscheint, in den Besitz eines Reichen zu kommen. In jedem fremden Besitz seht ihr einen Verlust für euch. Wie kann es euch Vergnügen machen, die Natur zu verkürzen? Für alle ist doch die Welt erschaffen, die ihr wenigen Reichen für euch in Anspruch zu nehmen versucht. Und nicht nur Grund und Boden, sondern selbst den Himmel, die Luft, das Meere eignen sich die wenigen Reichen zum Gebrauche an.
Über Nabot.
In: De Nabuthe, übersetzt u. m. Erläuterungen
versehen v. D.Dr. J. Huhn,
Freiburg im Breisgau 1950, Nr. 11, S. 25.
Ja, daher kommt es, daß die Scheunen einiger weniger voll von Getreide sind, der Magen von sehr vielen leer bleibt. Daher kommt es, daß die Maßpreise für das Volk noch schlimmer sind als der Mangel. Daher kommen Betrug, Falscheid, Raub, Streitigkeit, Kriege. Tagtäglich geht man mit den Tränen des Nebenmenschen auf Gewinn aus; die Einziehung seiner Güter wird als geschäftliche Tüchtigkeit erklärt; und die Aneignung fremden Eigentums wird unter dem Vorwand der Wahrung eigener Interessen und der Wirtschaftlichkeit mit den pfiffigsten Beweisgründen betrieben, so daß derjenige, der keinen Verteidiger hat oder harmloser Natur ist, seines Eigentums auf Grund von gesetzlichen Bestimmungen verlustig geht. Und das ist schlimmer als jeder Gewaltakt. Denn das, was mit Gewalt genommen wird, kann man zuweilen wieder zurückbekommen; aber was auf Grund von Anwendung von Gesetzesbestimmungen genommen wird, niemals mehr. Wer es will, mag sich solcher Gerechtigkeit rühmen; aber er soll es wissen, daß der Mensch, der sich mit der Armut des Nebenmenschen bereichert, ärmer ist als der Arme selbst. Wer möchte einen Menschen für gerecht halten, der seinen Vermögensvorteil höher schätzt als die Liebe? [...] Während tagtäglich ein armer Teufel an Bedrückung, Hunger, Ungerechtigkeit zugrunde geht, liebäugelst du mit deinem Gold, hütest dein Silber, betrachtest dein kostbares Kleid, deinen prunkenden und überflüssigen Schmuck als eine hochheilige Sache sozusagen wie ein Götterbild! Zuweilen richtest du dich damit zurecht, reich in der Öffentlichkeit, reicher noch in deinem stillen Kämmerlein; und es kommt dir dabei nicht zum Bewußtsein, daß ein Mensch, der einem sterbenden Mitmenschen nicht zu Hilfe kommt, trotzdem er es mit solchen Mitteln könnte, geradezu selbst als dessen Mörder erscheint.
Buch I, Traktat III: Die Gerechtigkeit, Nr. 5 und 6.
In: Bibliothek der Kirchenväter, Zweite Reihe Band X,
München 1934, S. 88/89.
Der Habsüchtige wird ständig hart geplagt durch den reichen Erntesegen, weil er den billigen Getreidepreis berechnet. Die Fülle ist nämlich für alle, die Unfruchtbarkeit nur für den Habsüchtigen einträglich. Er freut sich mehr über die Höhe des Preises als über die Fülle der Vorräte, und es ist ihm lieber, wenn er etwas besitzt, was er allein, als was er mit allen verkaufen kann. Sieh nur, wie er fürchtet, die Getreidemenge möchte zu groß sein, seine Scheunen möchten sie nicht fassen, und sie möchte überfließen an die Armen und es möchte sich eine Gelegenheit bieten, den Bedürftigen etwas Gutes zu erweisen. Für sich allein nimmt er den Ertrag der Ernte in Beschlag, nicht als ob er ihn selbst gebrauchen wollte, sondern um ihn andern vorzuenthalten. „Du hast“, so sagt er, „viele Güter!“ Der Reiche weiß nur solche Dinge als Güter zu bezeichnen, die Gewinn abwerfen. [...] Güter sind deine Besitztümer, wenn du den Armen davon mitteilst, in ihm machst du dir Gott zum Schuldner dadurch, daß du gleichsam Barmherzigkeit auf Zinsen ausleihst. Güter sind sie, wenn du die Scheunen der Gerechtigkeit öffnest, auf daß du das Brot der Armen seiest, das Leben der Notleidenden, das Auge der Blinden, der Vater der Waisen.
Über Nabot.
In: De Nabuthe, übersetzt u. m. Erläuterungen
versehen v. D.Dr. J. Huhn,
Freiburg im Breisgau 1950, Nr. 11, S. 41.
Wer mag das wohl sein [die gerechter zu sein scheinen]? Die Besitzer von Grund und Boden, welche von der Erde ihren Reichtum ziehen? Könnte es aber noch ungerechtere Menschen geben als sie? Wenn man nämlich untersucht, wie sie mit den armen und elenden Landsleuten verfahren, kommt man zu der Überzeugung, daß sie unmenschlicher sind als die Barbaren. Den Leuten, die ihr Leben lang hungern und sich quälen müssen, legen sie fortwährend unerschwingliche Abgaben auf, bürden auf ihre Schultern mühsame Dienstleistungen und gebrauchen sie wie Esel und Maultiere, ja wie Steine, gestatten ihnen auch nicht die mindeste Erholung, und gleichviel, ob die Erde Erträgnis abwirft oder nicht, man saugt sie aus und kennt keine Nachsicht ihnen gegenüber. Gibt es etwas Erbarmenswerteres als diese Leute, wenn sie sich den ganzen Winter über geplagt haben, von Kälte, Regenwetter und Nachtwachen aufgerieben sind und nun mit leeren Händen dastehen, ja obendrein noch in Schulden stecken, wenn sie dann, mehr als vor Hunger und Mißerfolg, vor den Quälereien der Verwalter zittern und beben, vor den Vorladungen, dem Einsperren, der Rechenschaft, dem Eintreiben des Pachtes, vor den unerbittlichen Forderungen? Wer ist imstande, all die Geschäfte herzuzählen, die man mit ihnen macht, all den Vorteil, den man aus ihnen zieht? Von ihren Arbeiten, von ihrem Schweiße füllt man Speicher und Keller, ohne sie auch nur ein Weniges mit heim nehmen zu lassen; man heimst vielmehr die ganze Ernte in die eigenen Truhen und wirft jenen ein Spottgeld als Lohn dafür hin. Ja, man ersinnt sogar neue Arten von Zinsen, wie sie nicht einmal die heidnischen Gesetze kennen, und schreibt Schuldbriefe, die von Fluchwürdigkeit strotzen.
61. Homilie über das Matthäus-Evangelium.
In: Bibliothek der Kirchenväter,
Johannes Chrysostomus Bd. III,
München 1916, S. 271/272.
Es ist ja in der Tat mehr als unmenschlich, wenn der, welcher nicht das Lebensnotwendige hat, zur Fristung seines Daseins ein Darlehen sucht, der Darleiher aber mit dem Kapitale sich nicht begnügt, sondern darauf sinnt, aus der Not des Armen Gewinn zu ziehen und sich Schätze anzuhäufen. [...] Denn der Mann hat sich zu Zinsen verpflichtet, die er nicht zahlen kann, und hat sich damit für sein ganzes Leben eine freiwillige Knechtschaft aufgebürdet. Sage mir, suchst du Geld und Gewinn bei dem Armen? Wenn er dich reicher machen könnte, hätte er dann vor deiner Türe gebettelt? Um Hilfe kam er; einen Feind fand er. Ein Heilmittel suchte er; Gift ward ihm gereicht. Pflicht wäre gewesen, des Mannes Armut zu lindern; du aber vergrößerst die Not und suchst den Armen vollends auszubeuten. Wie wenn ein Arzt, der zu Kranken geht, anstatt ihnen die Gesundheit zu bringen, ihnen den kleinen Rest ihrer Lebenskraft noch nähme, so machst auch du dir die Notlage der Unglücklichen zur Gewinnquelle. Wie die Landleute zur Mehrung der Samen den Regen wünschen, so wünschest auch du Armut und Not von Leuten, um dein Geld rentabel zu machen. [...] Aus dem Unglücke ziehst du Gewinn, sammelst Reichtum aus den Tränen; du erdrosselst den Nackten, schlägst den Hungrigen; nirgends Mitleid, kein Gedanke an die Verwandtschaft mit dem Unglücklichen! Und den Gewinn daraus nennst du Menschenliebe. Wehe denen, die das Bittere süß, das Süße bitter nennen (Jes 5,20) und Menschenhaß Menschenliebe.
14. Predigt: Wider die Wucherer, Nr. 1 und 5
In: Bibliothek der Kirchenväter, Basilius Bd. II,
München 1925, , S. 361-363/370.
Ich sah, wie ein Armer abgeführt und zum Gefängnis geschleppt wurde, bis er unter Zwang einen Betrag zahlte, den er nicht hatte, weil angeblich ein Mächtiger für sein Mahl nicht genug Wein hatte; ich sah, wie er dann seine Kinder zur Versteigerung brachte, um Frist für seine Bestrafung zu erhalten. [...] Nun kämpfen mit ihm die bittere Not mit der väterlichen Liebe. Der Hunger drängt zumVerkauf, die Natur zur Beobachtung seiner Vaterpflicht. Bereit, eher mit seinen Kindern zu sterben als sich von ihnen zu trennen, rennt er hin und her. Schließlich siegt in ihm die Not, nicht der Wunsch, und selbst die Liebe muß hinter der Not zurücktreten.
Über Nabot.
In: De Nabuthe, übersetzt u. m. Erläuterungen
versehen v. D.Dr. J. Huhn,
Freiburg im Breisgau 1950, Nr. 21, S. 31.
Woher kommen Unfruchtbarkeit, Sturmschäden, Hagelschlag, die uns jetzt bedrängen und heimsuchen? Woher die Störungen in der Luft, Krankheiten, Erdbeben, Meeresstürme und die Schrecken am Himmel? Wie kommt es, daß die Schöpfung, welche zum Genuß der Menschen ins Dasein gerufen worden war und alle in gleicher Weise erfreuen sollte, zur Strafanstalt der Sünder umgewandelt wird? Die Schöpfung soll, weil wir ihre Ehrungen nicht dankbar anerkannt haben, uns züchtigen und uns, weil wir nicht Gottes Macht aus den Wohltaten erkennen wollten, durch Leiden zur Erkenntnis derselben gelangen lassen. [...] Die einen unter uns haben die Armen unterdrückt, ein Stück Land an sich gerissen, ungerechterweise, sei es durch Betrug, sei es mit Gewalt, die Grenzen erweitert, Haus an Haus und Acker an Acker gefügt, um den Nachbarn zu schädigen, und als wollten sie allein auf Erden wohnen, darnach gestrebt, überhaupt keinen Nachbarn zu haben. Andere haben durch Zins und Wucher die Erde befleckt, indem sie sammelten, wo sie nicht gesät hatten, und ernteten, wo sie nicht ausgestreut hatten, nicht den Boden, sondern die Not der Armen ausbeutend. Andere haben die Erstlinge der Tenne und Kelter Gott, der alles gegeben hatte, vorenthalten, wodurch sie sich undankbar und töricht zugleich zeigten; für das, was sie empfingen, haben sie nicht gedankt und für die Zukunft [...] haben sie nicht durch edle Gesinnung vorgesorgt. Wieder andere haben sich der Witwen und Waisen nicht erbarmt und auch nicht ein Stücklein von ihrem Brote und ihren Speisen den Notleidenden, bzw. Christus mitgeteilt, der von uns gespeist wird, wenn wir auch nur schon einen Bissen (dem Nächsten) verabreichen. Die es nicht getan haben, waren vielleicht reich, glaubten aber trotz ihrer reichen Scheunen, da sie - was ihre größte Sünde war - arm an Hoffnung blieben, noch in Not zu leben; teils füllten sie ihre Scheunen, teils rissen sie dieselben nieder, um sie für spätere Ernten zu vergrößern, ohne zu wissen, daß sie noch, ehe ihre Hoffnung sich erfüllt, dahingerafft werden und sich als schlechte Verwalter fremden Eigentums wegen ihres irdischen Reichtums und ihres Prunks zu verantworten haben. Wieder andere haben den Weg des Elenden aus der Richtung gebracht (Amos 2,7) und das Recht durch Unrecht verdreht (Jes 29,21). Andere haben den mit Haß verfolgt, der sie am Tore zurechtgewiesen, und haben heilige Worte verabscheut (Amos 5,10). Andere haben ihrem Netze, das reichen Fang gemacht hatte, Opfer gebracht (Hab 1,16), weil sie das, was sie den Armen geraubt hatten, in ihren Häusern verwahren. Entweder dachten sie nicht an Gott oder, wenn sie an ihn dachten, sündigten sie, da sie beteten: „O Herr, sei gepriesen, da wir reich geworden sind!“ (Sach 11,5) und da sie ihn verdächtigten, soferne sie glaubten, von Gott das erhalten zu haben, wofür sie gestraft werden sollten. „Daher kommt der Zorn Gottes über die treulosen Söhne“ (Eph 5,6). Daher wird der Himmel entweder verschlossen oder zum Fluche geöffnet, und zwar um so mehr, wenn wir uns nicht auf Grund der Züchtigung bekehren und uns nicht dem zuwenden wollten, der sich uns in den Naturmächten naht.
16. Rede, Nr. 5 und 18
In: Bibliothek der Kirchenväter, München 1928, S. 325/338.
Wir sollen also einsehen, daß uns Gott wegen unserer Abkehr von ihm und wegen unserer Gleichgültigkeit diese Plagen geschickt hat. Er wird uns ja nicht vernichten, sondern nur bessern. [...] So seht, wie die Menge unserer Sünden selbst die Jahreszeiten um ihren natürlichen Charakter gebracht und die jeweiligen normalen Temperatur- und Witterungsverhältnisse ganz verschoben und verändert hat: Der Winter hatte nicht die normale Feuchtigkeit in Abwechslung mit der Trockenheit, vielmehr bannte er alle Feuchtigkeit in Eis und sog sie auf; andrerseits blieb er ohne Schnee und Regen. Und der Frühling hat wieder nur einen Teil seiner Eigenschaften gezeigt, nämlich die Wärme; Feuchtigkeit hatte er nicht im Gefolge. Wenn aber Hitze und Kälte die Grenzen der Natur ungewöhnlich überschreiten und sich verhängnisvoll zu unserm Schaden verbinden, dann bedrohen sie den Menschen in seinem Dasein und in seinem Leben. [...] Sind doch klar und offen die Gründe, weshalb wir nicht mehr wie sonst regiert werden. Wir empfangen, aber teilen andern nicht mit; wir loben die Wohltätigkeit, enthalten sie aber den Bedürftigen vor. Einst Knechte - sind wir jetzt frei, erbarmen uns aber der Mitknechte nicht. Sind wir hungrig, so lassen wir uns speisen, gehen aber an den Dürftigen vorüber. Wir haben an Gott einen reichlichen Geber und Verwalter; wir selbst sind aber karg geworden und teilen den Armen nicht mit. Unsere Schafe haben viele Junge; aber es gibt mehr Unbekleidete als Schafe. Die Scheunen sind zu klein für den riesigen Vorrat; und doch erbarmen wir uns nicht des Bedrängten. Daher droht uns Gott mit dem gerechten Gerichte; darum tut er seine Hand nicht auf, weil wir uns der Bruderliebe verschlossen haben. Deshalb sind die Felder verdorrt, weil die Liebe erkaltet ist.
III. Predigt, gehalten zur Zeit einer Hungersnot und Dürre.
In: Mahnreden. Schriften der Kirchenväter,
Bd. 4, hrsg. v. Norbert Brox,
München 1984, Nr. 2, S. 67/68.
Sage mir, was nützt es dich, die von Steinen funkelnde Hand umzudrehen? [...] Welcher Stutzer könnte seinem Leben auch nur einen Tag hinzufügen? Wen hat je der Tod des Reichtums wegen verschont? Wen befiel des Geldes wegen keine Krankheit? Wielange noch ist das Gold der Henkerstrick der Seelen, der Angelhaken des Todes, der Köder der Sünde? Wielange noch ist der Reichtum die Veranlassung zum Kriege, wielange noch ist er es, der die Waffen schmiedet, die Schwerter schärft?
II. An die Reichen.
In: Mahnreden. Schriften der Kirchenväter,
Bd. 4, hrsg. v. Norbert Brox,
München 1984, Nr. 7, S. 59/60.
Wenn aber Menschen Gold und Silber, alle möglichen weichlichen, überflüssigen Kleider und glänzende Edelsteine oder dgl. verwahren, wodurch Kriege, Revolutionen, schlimmste Tyrannei veranlaßt werden, dann heben sie in ihrer Torheit den Kopf hoch, künden armen Verwandten das Mitleid und weigern sich in ihrer Albernheit, mit ihrem Überfluß die Not zu unterstützen.
Über die Liebe zu den Armen.
In: Reden. Schriften der Kirchenväter,
Bd. 5, hrsg. v. Norbert Brox,
München 1983, Nr. 25, S. 54.
Sag mir, wozu die silbernen Bettstellen, die silbernen Tische, elfenbeinernen Sänften und Sessel, derentwegen der Reichtum den Armen nicht zugute kommen kann, die zu Tausenden vor der Türe stehen und alle Jammertöne hören lassen? Du aber versagst die Gabe mit der Ausrede, es sei dir unmöglich, ihrer Bitte zu willfahren. Du beschwörst mit der Zunge, was deine Hand Lügen straft mit dem funkelnden Diamantring am Finger. Wieviele könnte dieser eine Ring von den Schulden befreien! Wieviele baufällige Häuser könnte er aufrichten! Ein einziger deiner Kleiderkästen könnte ein ganzes frierendes Volk kleiden, und dennoch bringst du es über dich, den Armen hilflos zu entlassen, ohne die gerechte Vergeltung des Richters zu fürchten! Du hast dich nicht erbarmt; du wirst auch kein Erbarmen finden. Du hast dein Haus nicht geöffnet; du wirst im Himmel nicht Einlaß finden. Du hast kein Brot gegeben; du wirst auch das ewige Leben nicht erlangen.
II. An die Reichen.
In: Mahnreden. Schriften der Kirchenväter,
Bd. 4, hrsg. v. Norbert Brox,
München 1984, Nr. 4, S. 55.
Will aber einer geradezu des Ganzen sich bemächtigen und vom dritten oder fünften Teil seine Brüder verdrängen, so ist ein solcher ein harter Tyrann, ein unverbesserlicher Barbar, ein unersättliches Tier, das mit Lust allein den Fraß verschlingt oder vielmehr sogar wilder als selbst die wilden Tiere. Denn ein Wolf läßt einen andern Wolf am Fraß teilnehmen, und viele Hunde zerfleischen gemeinsam einen einzigen Körper. Der Unersättliche aber zieht keinen Stammesgenossen bei, um ihn an seinem Reichtum teilnehmen zu lassen.
Aus der Rede von der Liebe zu den Armen.
In: Bibliothek der Kirchenväter, Bd. II, Kempten 1880, S. 205.
„Es rühme sich kein Weiser ob seiner Weisheit, kein Starker ob seiner Stärke, kein Reicher ob seines Reichtums; wer sich rühmt, soll sich darob rühmen, daß er erkennt und weiß, daß ich der Herr bin, der Barmherzigkeit und Recht und Gerechtigkeit übt auf der Erde“ (Jer 9,23.24). Mit wie wenig Worten hat er damit erschöpfend dieses ganze angestrengte Treiben der Welt gezeichnet! Denn es sind diese drei Dinge, die die Grundlage aller Laster sind, durch die die Menschheit wie durch heftige Stürme schiffbrüchig wird und jeden Augenblick in die Gefahr des Untergangs gerät. Die Weisheit nimmt die Backen voll mit einer Fülle von Beweisgründen, weiß ihre Lüge überzeugend und berückend in den Schmuck glänzender Rede zu kleiden, rüstet ihre Stimme mit Posaunenklang und ihre Zunge mit Schwertesschärfe und unterstellt so alle Streitfragen ihrer Entscheidung, sammelt die Massen um sich und hält vor ihnen Reden. [...] Sie ficht mit ihren Gesetzen ihre eigenen Gesetze an. Sie untergräbt das Recht durch Recht. Gibt es jemand, der nicht sieht, daß all ihr Tun niemals recht ist oder recht gewesen ist? Wollt ihr wissen, wie gerecht sie ist? Sie fühlt sich unglücklich, wenn sie nicht die Wahrheit in ihr Gegenteil verwandeln kann. Weiter: Die Stärke, die der Mensch mit wilden Tieren teilt, findet alles Recht in der Gewalt. Was sie mit Gewalt durchzusetzen vermag, gilt ihr als Recht. Ohne jede Achtung vor dem, was bei Gott und Menschen Religion heißt, vernichtet sie ohne Veranlassung mit Feuer und Schwert eine Bevölkerung mit ihrer gesamten Habe, vernichtet Stadt und Land; mit dem Tod wie mit einem Freund vertraut, kennt sie vor nichts Furcht. [...] Und an dritter Stelle steht die Habsucht, die mit dem Reichtum verbunden ist; ihren Überfluß suchen die beiden andern in merkwürdiger Hast noch zu steigern. Für sie stellt sich die ganze Welt zum Kampf; ihrem Dienst weiht sich jedes Alter. Ach, welch ein Unrecht! Und was ist das für eine Blindheit: Sie lebt in allen, und alle beschweren sich über sie, als ob dem nicht so sei. Man klagt sie an - aber man huldigt ihr doch. Sie bringt die Menschen um - und findet dafür Liebe. Sie ist so recht die unüberwindliche Art des Unglücks: ihr beugt sich die Weisheit und ihr dient die Stärke. Seht ihr jetzt, daß die Weisheit dieser Welt offenbar nicht Gerechtigkeit ist? Sie ist aber auch nicht die wahre Weisheit. Es ist nun einmal nicht möglich, daß der wahre Weise nicht auch gerecht ist; und es ist nicht möglich, daß der in vollem Sinn wahre Gerechte nicht auch weise ist.
Buch I, Traktat III: Die Gerechtigkeit, Nr. 2 und 3
In: Bibliothek der Kirchenväter, Zweite Reihe Band X,
München 1934, S. 83/84.
Diese Reichen wollen ja auch alle übrigen Gebote erfüllen, nur auf den Reichtum wollen sie nicht verzichten. Ich kenne viele, die fasten, beten, seufzen, alle Werke der Frömmigkeit üben, soweit sie mit keinen Kosten verbunden sind, die aber Notleidenden auch keinen Heller geben. Was nützt solchen ihre Tugendhaftigkeit? Das Himmelreich nimmt sie nicht auf.
II. An die Reichen.
In: Mahnreden. Schriften der Kirchenväter,
Bd. 4, hrsg. v. Norbert Brox,
München 1984, Nr. 5, S. 59/60.
Der Besitz gehört nämlich dem Besitzer, nicht umgekehrt der Besitzer dem Besitz. Wer also sein Vermögen nicht wie einen Besitz gebraucht, wer nicht versteht, an die Armen zu verschenken und auszuteilen, der ist der Knecht seines Reichtums, nicht sein Herr, denn wie ein Diener bewacht er fremdes Gut, nicht aber gebraucht er es wie ein Herr sein Eigentum. Bei einer solchen Geisteshaltung sagen wir also, der Mann gehöre dem Reichtum, nicht der Reichtum dem Manne. „Gute Einsicht wird denen, die die Furcht des Herrn üben“ (Ps. 110,10). Wer aber keine Einsicht besitzt, der kann natürlich nicht auf die Gnade der Einsicht Anspruch machen, und so schläft er ein, überwältigt vom Schlafe der Trunkenheit. Solche Männer schlafen ihren Schlaf, d.h. ihren eigenen Schlaf, nicht den Christi. Die aber nicht den Schlaf Christi schlafen, genießen auch nicht die Ruhe Christi, sie stehen nicht auf in der Auferstehung Christi, der gesagt hat: „Ich schlief und ruhte und stand auf, denn der Herr wird mich aufnehmen“ (Ps. 3,6).
Über Nabot.
In: De Nabuthe, übersetzt u. m. Erläuterungen
versehen v. D.Dr. J. Huhn,
Freiburg im Breisgau 1950, Nr. 63, S. 63.
Wie unverkennbar ist hier die Handlungsweise der Reichen beschrieben! Sie sind traurig, wenn sie fremdes Gut nicht rauben können, sie verweigern die Nahrung, sie fasten, aber nicht um ihre Sünden zu mindern, sondern um ein Verbrechen zu begehen. Dann kann man sie zur Kirche kommen sehen: eifrig, demütig, beharrlich, ausharrend, damit sie die Frucht ihres Verbrechens ernten. Aber von ihnen sagt Gott: ‘Nicht das ist ein Fasten, wie ich es erwählt habe, daß etwa der Mensch wie im Wirbel seinen Kopf niedersenkt und sich in Sack und Asche hinstreckt. Das sollt ihr nicht ein Fasten nennen, das dem Herrn wohlgefällig ist. Nicht ein solches Fasten habe ich erwählt, spricht der Herr. Löse vielmehr jede Verbindung der Ungerechtigkeit, löse die Verpflichtungen gewaltsamer Umwandlungen, gib die Gedrückten frei und zerreiße jede ungerechte Hintergehung. Brich dem Hungrigen dein Brot, führe arme Herbergslose in dein Haus; wenn du einen Nackten siehst, bekleide ihn und verachte nicht die, die an deiner Natur teilhaben. Dann bricht dein Licht hervor, dir als Morgenrot und dein Genesen wird eilends aufblühen und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen und die Herrlichkeit des Herrn wird dich umgeben. Dann wirst du rufen, und der Herr wird dich erhören; und während du noch um Hilfe schreist, wird er antworten: Hier bin ich!’ (Jes 58,5-9) [...] Wie kannst du, Reicher, verlangen, daß Gott dich erhört, während du glaubst, auf Gott nicht hören zu müssen? Wenn dem Willen des Reichen nicht nachgegeben wird, wird eine Komödie ersonnen, für ein Unrecht gegen Gott wird es erachtet, wenn die Forderung des Reichen zurückgewiesen wird.
Über Nabot.
In: De Nabuthe, übersetzt u. m. Erläuterungen
versehen v. D.Dr. J. Huhn,
Freiburg im Breisgau 1950, Nr. 44/45, S. 47/48.
Wenn das gute Dinge [„Güter“] sind, dann muß man jedenfalls auch die Besitzer derselben als gute Menschen bezeichnen. Denn warum sollte der nicht gut sein, der etwas Gutes sein nennt? Wie nun, sage mir: Wenn die Besitzer solcher „Güter“ Geizhälse und Räuber sind, werden wir sie als gute Menschen bezeichnen? Wenn der Reichtum wirklich ein Gut, wenn er aber zugleich ein Produkt des Geizes ist, dann muß derselbe, je mehr er wächst, auch seinen Besitzer um so mehr in den Ruf eines guten Menschen bringen. Ist also der Geizige ein guter Mensch? Wenn der Reichtum etwas Gutes ist und wenn der Geiz es ist, der ihn vermehrt, ja, dann muß der Geizige ein immer besserer Mensch werden, je reicher er wird. Merkst du den Widerspruch? Aber gesetzt den Fall, der Reiche ist nicht geizig, sagt man. Wie wäre das denkbar! Gar verderblich ist die Leidenschaft, und in Ehren reich zu sein, nein, das ist nicht möglich. Das hat auch Christus deutlich ausgesprochen in den Worten: „Macht euch Freunde mit dem Mammon der Ungerechtigkeit!“ (Lk 16,9) Wie ist es nun, frägt man, wenn der Reiche seinen Vater beerbt hat? Dann hat er ein ungerecht zusammengerafftes Gut in Empfang genommen. Sein Vorfahre ist ja nicht von Adam her reich gewesen, sondern vor ihm waren es viele Andere, und dann hat sich unter dieser Menge einer gefunden, der den Besitz der andern auf ungerechtem Wege an sich genommen und sich zu Nutzen gemacht hat.
Aus der zwölften Homilie über den 1. Brief an Timotheus.
In: Bibliothek der Kirchenväter, Bd. IX, Kempten 1883, S. 153.
Er, der die Apostel ohne Gold aussendete (Mt 10,9), hat auch die Kirche ohne Gold vereinigt. Die Kirche besitzt das Gold nicht, um es aufzubewahren, sondern um es aufzuwenden, um den Nöten abzuhelfen. Was braucht es auch eine Sache nutzlos aufbewahren? Oder wissen wir nicht, wieviel Gold und Silber die Assyrer vom Tempel des Herrn fortgeschleppt haben? (2 Kö 24,13) Schmelzen nicht die Priester, wenn es sonst an Mitteln gebricht, es zum Unterhalt der Armen besser ein, als daß ein Frevler als Feind es verunehrt und fortschleppt? Würde nicht der Herr sprechen: Warum hast du es gelitten, daß so viele Arme Hungers sterben? Und doch hattest du Gold. Hättest du dafür Nahrung geboten! Warum wurden so viele Gefangene als Kriegsbeute abgeführt und vom Feinde getötet, ohne daß man sie loskaufte? Besser wäre es gewesen, die lebendigen Gefäße zu bewahren als die metallenen.
Auf diese Frage ließe sich keine Antwort geben. Wie hätte man entgegnen können: Ich fürchtete, es möchte dem Tempel Gottes an Schmuck gebrechen? Er hätte erwidert: die Geheimnisse verlangen kein Gold; und was sich um Gold nicht kaufen läßt, verdankt auch Goldesglanz nicht seinen Reiz. Der Loskauf der Gefangenen gereicht den Geheimnissen zur Zierde. Kostbare Gefäße fürwahr sind jene, welche die Seele vom Tode erkaufen. Das ist der wahre Schatz des Herrn, der bewirkt, was das Blut Christi bewirkt hat. Da erkennt man das Gefäß mit dem Blute des Herrn, wenn man in beiden Erlösung schaut: im Kelch die Erlösung vom Feinde, welche das Blut von der Sünde erlöste. Wie schön, wenn sich von den Scharen von Gefangenen, welche von der Kirche losgekauft wurden, sagen läßt: Diese hat Christus losgekauft! Sieh, ein Gold, das erprobt ist! Sieh, ein Gold, das frommt! Sieh, das Gold Christi, das vom Tode befreit! Sieh das Gold, durch das die Keuschheit erkauft, die Reinheit bewahrt wird.
Über die Pflichten II.
In: Bibliothek der Kirchenväter, Ambrosius Bd. III,
Kempten München 1917, Nr. 137, S. 196.
Wenn wir es Paulus und Christus selbst glauben müssen, daß die Liebe das erste und größte Gebot, der Hauptinhalt des Gesetzes und der Propheten ist, dann erkläre ich die Liebe zur Armut, das Mitempfinden und Mitleiden mit dem Nächsten als die größte Liebe. Durch gar nichts wird ja Gott so geehrt wie durch Mitleid. Denn nichts ist Gott eigentümlicher als das Erbarmen.
Über die Liebe zu den Armen.
In: Reden. Schriften der Kirchenväter, Band 5.
Hrsg. v. Norbert Brox. München 1983, Nr. 5, S. 36.
Man betrachte, welche Ehre Gott uns angethan hat, indem er uns mit einer solchen Aufgabe betraute! Ich, sagt er gleichsam, habe Himmel und Erde erschaffen; ich gebe auch Dir Schöpferkraft: mache die Erde zum Himmel! Du kannst es ja!
Homilien über den ersten Brief an Timotheus.
Bibliothek der Kirchenväter, Sechster Band,
Kempten München 1880, S. 209.
[1] Lexikon für Theologie und Kirche, Artikel „Kirchenväter“. Freiburg im Breisgau 1961, S. 272-274.
[2] Vgl. Norbert Brox, Diakonie in der frühen Kirche. „Die Erde zum Himmel machen“. In: CONCILIUM, 24. Jahrg./ 1988, Heft 4, S. 277 ff.; Sigurd Bergmann, Geist, der Natur befreit. Die trinitarische Kosmologie Gregors von Nazianz im Horizont einer ökologischen Theologie der Befreiung. Mainz 1995; José Ignacio González Faus, Vicarios de Cristo. Los pobres en la teología y espiritualidad cristianas. Madrid 1991.
[3] Zukunftsfähiges Deutschland - ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung. Hrsg. von BUND und Misereor. Basel, Boston, Berlin 1996.
[4] In: Basilius von Cäsarea: Mahnreden. Schriften der Kirchenväter Bd. 4. Hrsg. v. Norbert Brox. München 1984. III. Predigt, gehalten zur Zeit einer Hungersnot und Dürre, Nr. 2, S. 67.
[5] An die Kirche von Smyrna, VI,2. in: Die Briefe des Heiligen Ignatius von Antiochien. Übers. von Ludwig A. Winterswyl. Freiburg im Breisgau 3. Aufl. 1942, S. 48.
[6] Matthäus-Kommentar, 43. Homilie, Nr. 5. In: Bibliothek der Kirchenväter. Kempten München 1916, Johannes Chrysostomus. III. Band, S. 627.
[7] In: Bibliothek der Kirchenväter, Bd. II. Kempten 1880, S. 205.
[8] Enzyklika Mater et Magistra, Nr. 43. In: Texte zur Katholischen Soziallehre. Kevelaer 1975, S. 211.
[9] Enzyklika Populorum Progressio, Nr. 23. In: Texte zur Katholischen Soziallehre. Kevelaer 1975, S. 444.
[10] Enzyklika Laborem exercens, Nr. 14. In: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls, Nr. 32. Bonn 1981, S. 32.
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